WWAZ
fordert Herstellungsbeitrag II
Im Dezember 2015, wie gewohnt kurz vor Weihnachten, verrschickt der
Wolmirstedter Wasser- und Abwasserzweckverband (WWAZ) an Grundstückseigentümer,
die bereits vor dem 15. Juni 1991 an eine zentrale Trinkwasserversorgung-
oder zentrale Abwasserentsorgungseinrichtung angeschlossen waren (bzw.
die Möglichkeit dazu gehabt hätten) Bescheide, in denen ein „besonderer“
Herstellungsbeitrag verlangt wird.
Eine Bürgerinitiative, die Interessengemeinschaft
Wir Wollen Alles Zurück (WWAZ) strebt eine Musterklage an und empfiehlt
zur Wahrung eventueller Ansprüche, in jedem Fall innerhalb eines Monats
nach Zustellung des Bescheids bzw. bis zum 31. Januar 2016 Widerspruch
einzulegen. Quelle: Generalanzeiger 24.
Januar 2016
Laut WWAZ-Justitiar Frank Wichmann
gibt es auch Haushalte, die zahlen sollen, obwohl sie schon längst
gezahlt haben. Er versichert: „Bescheide werden bei Doppelveranlagungen
auch dann aufgehoben, wenn kein Widerspruch eingelegt wurde.“ Quelle: Volksstimme 14. Dezember 2015
Oder wie auf der Internetseite des
WWAZ zu lesen ist: "Herstellungsbeitrag I (welcher seit dem 15.06.1991
in den vergangenen Jahren erhoben wurde und erhoben wird) und II schließen
sich gegenseitig aus und sind einmalig. Jeder der schon einen Beitrag
I bezahlt hat, kann nie zu einem Beitrag II herangezogen werden".
WWAZ-Justitiar Frank Wichmann: "...
Derzeit werden im WWAZ alle Widersprüche erfaßt. Personen, die auf
eine sofortige Bearbeitung gedrängt haben, deren Widersprüche werden
im Rahmen der Möglichkeiten trotz aller Unabwägbarkeiten sofort bearbeitet. Quelle: Volksstimme 6. Februar 2016
Schön, wenn es denn
so wäre. Liest sich gut, interessiert aber beim WWAZ offenbar niemanden.
Hier der nicht repräsentative Einzelfall:
Auf einen Widerspuch gegen
eben so eine Doppelveranlagung reagierte der WWAZ jedenfalls
trotz mehrerer auch schriftlicher Nachfragen nicht im Geringsten,
nicht einmal mit einer Eingangsbestätigung. Der Bescheid wird
dann wohl auch nicht aufgehoben worden sein?
Nachtrag Mitte Juli 2016.
Inzwischen stellt sich der WWAZ, welcher selbst im Allgemeinen
sehr kurze Fristen setzt, seit mehr als sieben
Monaten erfolgreich "tot". Ein gewinnorientiertes
Unternehmen in der freien Wirtschaft müßte sich dann sicher
nicht mehr wegen zuviel Arbeit sorgen.
Nachtrag Mitte November 2016 - fast ein Jahr nach dem Widerspruch.
Post vom WWAZ. Nein, keinerlei Reaktion auf den Widerspruch,
sondern eine Mahnung mit der Aufforderung, den Beitrag samt
zusätzlicher Säumnis-, Mahn- und Portogebühren innerhalb der
nächsten 7 Tage zu entrichten. Was nun? Schriftlich darauf
reagieren, wie im Mahnschreiben empfohlen? Naja, merken Sie
selber - schade ums Papier. Anrufen? Hat mir bisher auch noch
nie Erfolg beschert. Laut Mahnschreiben ist Sprechtag. Reden
ist immer gut, 22 Kilometer nach Wolmirstedt fahren besser.
Versuch des Gesprächs mit einer Dame des WWAZ-"Kundenservices".
"Ich bezahle diese Forderung nicht."
"Dann brauchen wir garnicht weiter reden."
"Ich lasse mich heute ohne eine verbindliche Lösung nicht
abwimmeln."
"Dann gehen Sie zu Herrn Wichmann." (WWAZ-Justitiar
Frank Wichmann)
Also gut - auf in die Chefetage. Mag sein, daß die Dame im
Vorzimmer sich über den Besuch eines WWAZ-Kunden, von denen
sie ihr Gehalt bekommt, gefreut hat. Angemerkt habe ich es
ihr nicht. "Herr
Wichmann hat Besuch, warten Sie draußen."
Dreißig Minuten Warten auf dem Flur -ohne daß irgend jemand
aus der Tür kam- hielt ich für ausreichend, also wieder rein
und zum Glück Herrn Wichmann direkt "in die Arme".
Dieser klärte innerhalb weniger Minuten die Angelegenheit
in unserem Sinne, indem er den fehlerhaften Bescheid und die
zugehörige Mahnung aufhob.
So einfach kann das gehen. Aber meine Zeit und mein Geld hätte
ich gern besser verwendet.
Da hat sich der WWAZ für seine Bemühungen, sicher streng nach
der selbst gegebenen, eigener Satzung, mal eben 43,48 Euro
oder gut 14% auf die ursprüngliche Summe gegönnt. Ich bleibe
natürlich auf meinen Auslagen sitzen.
PS.: Was mit dem von der Sekretärin erwähnten Besucher geschehen ist,
entzieht sich meiner Kenntnis. Mir ist er weder im Zimmer von Herrn Wichmann noch dort heraus kommend begegnet.
Der WWAZ-Pressesprecher Norbert
Franke weist darauf hin. daß "ein Widerspruch gegen den Bescheid
(...) keine aufschiebende Wirkung für die Zahlung (hat). Wer Widerspruch
einlegt, muss, wenn auch unter Vorbehalt, erst einmal zahlen.“ Quelle: Volksstimme 31. Dezember 2015
Hat man erst einmal
gezahlt, besteht dann im Fall der Unrechtmäßigkeit der Forderungen
möglicherweise das Problem, wieder zu seinem Geld, das dann gerade
für einen Anderen arbeitet, zu kommen.
Innenminister Holger Stahlknecht
(CDU): „Ich werde die Abwasserzweckverbände per Erlass auffordern,
das Eintreiben der Beiträge bis auf Weiteres auszusetzen.“
Quelle: Volksstimme 25. Januar 2016
Offenbar bestehen in
der Landesregierung Zweifel, ob das Kommunalabgabengesetz, auf welches
sich die Beitragsforderungen beziehen, einer rechtlichen Überprüfung
standhält. Einen Zusammenhang mit der bevorstehenden Landtagswahl
kann nur vermutet werden. WWAZ-Kunden sind ja auch Wähler.
Am 26. Januar 2016 versammelten
sich vor der WWAZ-Verwaltung 200 Menschen, um ihren Protest gegen
die WWAZ- Beitragsforderung zu äußern. Eine Sprecherin des Innenministeriums
erklärte gegenüber der Volksstimme, daß "der Erlaß (...) empfehlenden
Charakter (hat). Wir gehen davon aus, daß dieser Empfehlung gefolgt
wird." Die Verbände können der Empfehlung folgen, müssen es aber
nicht. WWAZ-Geschäftsführer Jörg Meseberg meint jedoch: "Wir
können uns garnicht an diesen Erlaß halten. ... (Wir) werden (...)
weiter von der Bezahlung der Herstellungsbeiträge durch unsere Kunden
ausgehen müssen." Nach den Kommunalabgabengesetz bestehe eine
Beitragserhebungspflicht, an die sich der WWAZ halten müsse. Quelle:
Volksstimme 27. Januar 2016
Ja, der WWAZ hat es
nicht einfach, aber Pflicht ist Pflicht.
Linke will Verfassungsklage
Die Linke-Landtagsfraktion will vom Landesverfassunsgericht klären
lassen, ob das nachträgliche Abkassieren von Kanalbaubeiträgen rechtens
ist. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU): „Ich begrüße das ausdrücklich,
wenn wir danach Rechtssicherheit bekommen.“.
Ergebnis
Der Streit spitzt sich zu
Innenminister Stahlknecht zur Meseberg-Äußerung:
„Dafür habe ich kein Verständnis.“ Mit der Verfügung aus dem Jahr
2015 sei der Verband aufgefordert worden, erstmal eine Satzung zu
verabschieden, ehe er Beiträge erhebt. Diese Verfügung sei kein Grund,
seinem Erlass nicht nachzukommen. Stahlknecht: „Wir sind die oberste
Kommunalaufsicht.“ Quelle: Volksstimme
29. Januar 2016
Wenn Zwei sich streiten,
wird hier der Dritte (der Bürger) wahrscheinlich keinen Grund haben,
sich zu freuen.
"Inzwischen haben sich auch
Landespolitiker wie Holger Stahlknecht (CDU) und Rüdiger Erben (SPD)
dazu bekannt, daß die Erhebung der Beiträge ... einen seltsamen Beigeschmack
habe, da der Vertrauensschutz nicht berücksichtigt sei. Sie haben
bereits laut die Frage gestellt, ob der WWAZ die Beiträge wirklich
erheben mußte. Der wiederum folgte mit den Beitragsforderungen einer
Maßgabe der Landespolitik." Quelle:
Volksstimme 6. Februar 2016
A erläßt ein Gesetz.
B hält sich daran. Was A dann seltsam findet und fragt, hätte B das
wirklich machen müssen? Merkwürdig, oder verstehe ich da etwas falsch?
Der WWAZ will jedem Altanschließer,
der einen Bescheid für den Herstellungsbeitrag II erhalten hat, einen
Vergleich anbieten. Damit will der WWAZ Bürgern und auch sich selbst
die Möglichkeit geben, einen Schlussstrich unter die Thematik setzen.
Bürger, die diesen Vergleich nicht annehmen möchten, können ihren
Widerspruch aufrecht erhalten. „Bis zu einer verfassungsrechtlichen
Klärung werden keine Vollstreckungsmaßnahmen erfolgen“, verspricht
WWAZ-Justitiar Frank Wichmann. Außerdem werden bis zum Abschluss der
Vergleichsverhandlungen keine Widersprüche bearbeitet, es sei denn,
eine Entscheidung werde vom Bürger ausdrücklich gewünscht. Der WWAZ
will mit dem Vergleichsangebot den rechtlichen Schwebezustand beenden,
„um nicht jahrelang unter der Rechtsunsicherheit zu leiden beziehungsweise
in eine Prozessflut gestürzt zu werden".
Parallel dazu will Innenminister Holger Stahlknecht einen renommierten
Gutachter beauftragen. Der soll prüfen, ob die im Kommunalabgabengesetz
getroffene Regelung zur Verjährung verfassungsgemäß ist. Sollte sie
sich als nicht verfassungsgemäß herausstellen, wird geprüft, ob auch
diejenigen, die keinen Widerspruch eingelegt haben, ihr Geld zurückbekommen.
Der Ausgang der Gutachterprüfung ist für diejenigen, die sich auf
den Vergleich eingelassen haben, dann ohnehin irrelevant. Für sie
ist das Verfahren beendet. Es kann sein, dass der WWAZ alles zurückzahlen
muss, es kann aber auch die Rechtmäßigkeit der Forderungen bestätigt
werden. Dann werden die Widersprüche genauso bearbeitet, so wie es
ursprünglich geplant war. Quelle: Volksstimme
13. Februar 2016, gekürzt
Der WWAZ würde sich
beim Zustandekommen eines Vergleichs mit der Bezahlung der Hälfte
seiner Forderung zufrieden geben, der Bürger im Gegenzug auf weiteren
Widerspruch verzichten. Kann man drauf eingehen, muß man aber nicht.
Geht man darauf ein, bekommt der WWAZ im Fall der Unrechtmäßigkeit
seiner Forderungen trotzdem den halben Betrag. Ohne Vergleich wäre
er dann leer ausgegangen. Geht man nicht darauf ein, hat man laut
WWAZ-Justitiar bis zu einer Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit
nichts zu befürchten. Hätte dann viel Geld gespart oder müßte im ungünstigen
Fall, wenn man nicht weiter um sein Recht streiten möchte, die gesamte
Forderung (zuzüglich aller Säumnis-, Mahn- und Portogebühren sowie
Zinsen) bezahlen.
Das Landesverfassungsgericht in
Dessau hat am 24. Januar 2017 entschieden, dass die nachträglich verschickten
Bescheide rechtmäßig sind und einen Normenkontrollantrag der Landtagsfraktion
der Partei "Die Linke" abgewiesen. Die Entscheidung der Richter fiel
knapp mit 4:3 Stimmen. Mit dem Richterspruch müssen mehr als 40.000
Grundstücksbesitzer in Sachsen-Anhalt die erhobenen Gebühren bezahlen,
und zwar teils auch für Anlagen, die vor Jahrzehnten gebaut wurden.
Insgesamt geht es um Nachforderungen der Wasserverbände in Höhe von
77 Millionen Euro. Für einzelne Haushalte geht es dabei um bis zu
10.000 Euro. Quelle: mdr.de 25. Januar
2017
Ob sich damit alle Betroffenen
abfinden, bleibt abzuwarten.
Eine Musterklage ist weiter im Gespräch.
Immerhin will der WWAZ nun mit der Bearbeitung der Widersprüche beginnen,
nachdem er vorher die Möglichkeit der (gegebenenfalls auch teilweisen)
Rücknahme des Widerspruchs angeboten hat. Zumal die offenbar überwiegend
als Widerspruchsgrund angeführte Nicht-Verfassungsmäßigkeit nach dem
Urteil wohl nicht gegeben ist. Quelle:
wwaz.de
Klage gegen Herstellungsbeitrag
II bei Abwasser weiter beim Bundesverfassungsgericht anhängig
Die Klage zu den von den Abwasserverbänden erhobenen Herstellungsbeiträgen
für Altanschließern (Herstellungsbeitrag II) ist am Bundesverfassungsgericht
weiter anhängig ( AZ: 1 BvR 1185/17).
Daher rät Haus & Grund allen betroffenen Eigentümern, Ihre Widersprüche
aufrecht zu halten und nicht zurück zu ziehen. Andere Behauptungen
(z.B. falsche Darstellungen des AZV Saalemündung) entsprechen nicht
der Wahrheit. Der Verband stellt den Sachverhalt fälschlicherweise
so dar, dass das Bundesverfassungsgericht das Anliegen der Bürger
abschlägig beschieden hätte!
"Wir erhalten verstärkt
Anfragen, weil einige Abwasserverbände behaupten, das Verfahren wäre
nicht zu Entscheidung angenommen worden", so Dr. Holger Neumann,
Präsident von Haus & Grund Sachsen Anhalt. Das ist eine bewusste
Irreführung und sachlich falsch. Damit sollen die Eigentümer dazu
bewegt werden, die Widersprüche zurück zu ziehen. Aber: Wer seinen
Widerspruch freiwillig zurück zieht, hat auch bei einer für die Eigentümer
positiven Entscheidung keinen Anspruch auf Rückzahlung.
Die von den Bürgerinitiativen und der Eigentümerschutzgemeinschaft
Haus & Grund unterstützte Klage ist weiterhin anhängig. Haus &
Grund rät den Betroffenen, den Betrag zu bezahlen, aber mit dem Verband
zu verhandeln, dass der Widerspruch bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes
nicht bearbeitet wird.
Noch eine Ergänzung: Viele Anfragen haben uns erreicht, was ist, wenn
man seinen Widerspruch bereits zurückgezogen hat. Leider ist dann
alles zu spät. Juristisch betrachtet, haben Sie dann auf weitere Rechtsmittel
verzichtet. Selbst die geringe Chance auf ein Wiederaufgreifen des
Verfahrens nach § 51 VwVfG dürfte dann ausgeschlossen sein. Deshalb
geben sich die Abwasserverbände auch so große Mühe, die Bürger zur
Rücknahme des Widerspruchs zu bewegen! (gekürzt) Quelle:
Webseite Haus & Grund Magdeburg im November 2017
Nachtrag:
Unanfechtbarer Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 16. September 2020: "Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen." ( AZ: 1 BvR 1185/17 )
Artikel und Kommentar
in der Magdeburger Volksstimme zur aktuellen Entwicklung beim Herstellungsbeitrag
I
Für Kanalnetz und Klärwerke müssen
die meisten Hauseigentümer in Sachsen-Anhalt sogenannte Beiträge bezahlen.
Je nach Haus- und Grundstücksgröße sind zwischen 1000 und 10.000 Euro
fällig. Bislang galt die Gewissheit: Diese Rechnung erwischt einen
nur einmal. Doch damit ist es nun wohl vorbei. Warum? In den letzten
Jahren wurden viele Abwasserbände fusioniert, zudem kamen etliche
Gemeinden im Zuge der Gebietsreform zu anderen Verbänden. So erging
es auch der Gemeinde Zorbau im Süden des Landes, die zum Verband Saale-Rippachtal
kam. Oder Biederitz (Jerichower Land), das nunmehr im Wolmirstedter
Verband WWAZ ist. Alles halb so schlimm – bis Eigentümer von den neuen
Verbandsherren Post bekamen. Beitragsbescheide. Betroffen sind auch
Betriebe.
Die Oberverwaltungsrichter deuteten eine - wenn auch zweifelhafte
- Kompromisslösung an: Wenn die Betroffenen nachweisen, dass sie schon
mal Beiträge bezahlt haben, könnten sie ja einen Antrag auf Erlass
stellen. Der Bitte kann der neue Verband dann nachkommen. Oder auch
nicht.
Der Haken: Die Beiträge im alten Verband wurden oft vor zehn oder
20 Jahren erhoben. Die Betroffenen müssen nun zu Hause Akten durchforsten,
um nach alten Schreiben, Quittungen und Kontoauszügen zu fahnden.
Wer nichts findet: Pech gehabt. Neumann nennt das Gerichtsurteil „bürgerfeindlich“.
Denn: „Der Beitragszahler wird zum Bittsteller degradiert.“ (gekürzt) 14. Dezember 2017
Die Bundesverfassungsrichter haben
klar gesagt, welche Prinzipen bei Kommunalabgaben gelten: „Belastungsklarheit
und Vorhersehbarkeit“. Doch in Sachsen-Anhalt scheren sich weder Regierungspolitiker
noch Richter darum. Da wird zwar 2016 eine Verjährung beschlossen,
aber 2015 dürfen die Gemeinden noch schnell Alt-Fälle kassieren. Und
das Landesverfassungsgericht findet das auch noch richtig. Oder: Verbände
fusionieren und Eigentümer müssen ein zweites Mal zahlen. Welcher
Hausbesitzer sollte das vorhersehen? Keiner.
Doch was soll man sagen in einem Land, wo Richter in Seminaren auftreten,
um Verbandsfunktionären noch Tipps zu geben, wie man richtig Geld
eintreibt? Hier gibt es eine regelrechte Fraktion von Funktionären,
Politikern und Juristen, die nur eines interessiert: Die Gemeindekasse.
Den klagenden Familien und Betrieben kann man nur Durchhaltevermögen
wünschen. Ich bin mir sicher: Karlsruhe wird die Urteile aus Sachsen-Anhalt
kippen. 14. Dezember 2017
Mein Fazit: Es wäre
besser gewesen, eine politische Lösung zu finden, anstatt diese von
Gerichten zu erwarten.
Unerfreuliche
Briefe werden seit einiger Zeit vom Wolmirstedter Wasser- und Abwasserzweckverband
(WWAZ) verschickt. Zahlreiche Haushalte und wahrscheinlich auch Gewerbebetriebe
und Vermieter in Hermsdorf erhielten einen Widerspruchsbescheid mit
der Aufforderung, offene Trink- oder Schmutzwasserbeiträge bzw. auch
beides zu zahlen. Obwohl zumindest in unserem Grundstückskaufvertrag
geregelt ist, daß die Erschließungskosten die Gemeinde Hermsdorf trägt.
Zitat
aus unserem Kaufvertrag:"§ 12 - Die im Kaufpreis enthaltene
Erschließung umfaßt die Erstellung der Straßen und Ver- und Entsorgung,
das heißt die Erstellung eines Schmutzwasserkanals, eines Kanals zur
Entsorgung von Oberflächenwasser und Versorgung mit Gas, Wasser und
Elektrizität. Die Hausanschlüsse sind vom Käufer zu übernehmen."
Liest sich gut, hilft aber wenig. Der WWAZ hat die Bescheide nach
einer gültigen Satzung erlassen. Als Körperschaft öffentlichen Rechts
besitzt der WWAZ das Recht und die Macht, die Trink- und Schmutzwasserbeiträge
einzutreiben, was auch die Zwangsvollstreckung einschließt. Der vorgetragene
Widerspruch, daß das Grundstück erschlossen erworben wurde, wurde
als unbegründet beschieden.
Zitat
Widerspruchsbescheid: "Soweit in Ihrem Kaufvertrag
ausgeführt wird, dass das Grundstück beitragsfrei oder voll erschlossen
verkauft wurde, so berührt dies das Abgabenverhältnis zum WWAZ nicht,
da der Grundstückskaufvertrag keine Recht und Pflichten für Dritte,
hier den WWAZ, begründen kann. ... Ggf. entstehen Ausgleichsansprüche
zwischen Ihnen und dem Verkäufer. Ob dies der Fall ist, ist nicht
Gegenstand der Prüfung im Widerspruchsverfahrens und muss gesondert
geklärt werden.“
Aber, noch im Dezember 2006 teilte der WWAZ-Geschäftsführer Herr Wichmann
mit, daß "... es erfolgversprechende Gespräche zwischen dem
WWAZ und der Gemeinde gibt, die den Ausgleich der Beitragsforderungen
zum Gegenstand haben. Leider haben sich die Abstimmungen mit den Aufsichtsbehörden
zu diesen Verträgen in die Länge gezogen ... Wenn die Vertragsverhandlungen
so abgeschlossen werden, wie derzeit zu erwarten ist, hat das zur
Folge, daß eine möglicherweise von Ihnen vorgenommene Zahlung zurückerstattet
wird." Offenbar waren die Gespräche dann doch nicht so erfolgreich.
Dann zahlt der Grundstückskäufer eben ein zweites Mal für diesen Teil
der Erschließung seines Grundstücks.
Die bestehenden Ausgleichsansprüche
gegenüber der Gemeinde Hermsdorf wurden 27. Mai 2008 erneut geltend
gemacht. Eine Antwort darauf traf am 9. Juli 2008 von der Verwaltungsgemeinschaft
Hohe Börde ein. Dort geht man die Angelegenheit offenbar gelassen
an. Es wurde mitgeteilt, daß der Kaufvertrag zu prüfen sei (Wir hatten
angenommen, dieses sei längst passiert?!?). Weiter hieß es, die Gemeinde
sei in Zusammenarbeit mit dem Landkreis Börde bemüht, eine Lösung
zu finden (die Formulierung, man sei bemüht, ließ wenig Raum
für Hoffnung). Eine umgehende Information zur weiteren Verfahrensweise
wurde in Aussicht gestellt, sobald entsprechende Festlegungen getroffen
seien. Es war zu befürchten, der WWAZ würde darauf nicht warten wollen
und sollte leider auch so eintreffen. 7.
Juni 2008
Ein Schreiben vom WWAZ! Eine Mahnung vom 3. September 2008 zu den
offenen Beiträgen zuzüglich 3% Säumniszuschlag einer Mahnpauschale
von 37,50 Euro und den Portogebühren für eben jenen Brief, nicht ohne
die Androhung der Zwangsvollstreckung nach Ablauf von sieben Tagen.
War unser formloser Antrag auf Stundung vom 11. Juni 2008 untergegangen?
Nach Telefonaten, deren Inhalt hier nicht wiedergeben wird, da er
im Gegensatz zu schriftlichen Äußerungen nicht belegt werden kann,
stand fest, eine Stundung wird nicht gewährt.
Zumal im WWAZ der Unterschied zwischen einer Stundung und einer Ratenzahlung
nicht bekannt zu sein scheint.
Nicht schlimm, wäre im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nachzulesen. 5. September 2008 Die gestellte Anfrage zum Grund der Ungleichbehandlung
(Trink- oder Schmutzwasserbeiträge bzw. bei augenscheinlich gleichen
Voraussetzungen, nämlich fast gleichzeitig erschlossenen und gekauften,
nebeneinander liegenden Grundstücken, offenbar willkürlich auch beides)
hielt der WWAZ schließlich mit der Argumentation, "in Hinblick
auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG (gemeint war
Grundgesetz-Artikel 3 "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich")
ist nach Prüfung des Vorgangs keine Ungleichbehandlung zu erkennen"
für abschließend beantwortet. Natürlich ist es prinzipiell zu begrüßen,
daß vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind, aber wie sich eben daraus
eine Ungleichbehandlung begründen läßt, erschließt sich nicht und
wird wohl das Geheimnis des WWAZ bleiben. 4. Oktober 2008
Der WWAZ verlangt Aussetzungszinsen für
den Trinkwasserbeitragsbescheid (es fragt sich, warum nicht auch für
den Schmutzwasserbeitragsbescheid?). In einem an den Bescheid getackerten
Informationsblatt wird wortreich bedauert, daß man zur Erhebung der
Zinsen nach der "überlangen Bearbeitungszeit" (wer
hat diese denn zu verantworten?) gezwungen sei. Als Argument wird
angeführt, daß "der WWAZ ... selbst Zinsen auf Kredite(hat der WWAZ denn überhaupt die Herstellungskosten
für die übernommen Einrichtungen an die Gemeinden gezahlt?) zu
bezahlen hatte. Diese Zinsen wurden bislang durch die anderen Gebührenzahler
mitgetragen." (wenn die Zins-Kosten den anderen Gebührenszahler
auferlegt wurden, dann hatte der WWAZ keine und wird die an ihn gezahlten
Aussetzungszinsen an die Gebührenzahler weitergeben?). Aber es gibt
auch Trost: "Schließlich hat der Abgabenpflichtige trotz
der Aussetzung der Vollziehung das Recht, die Forderung auszugleichen
...". Na, daß man da nicht selber drauf gekommen ist.
Auch in Irxleben diskutierte man über diese Aussetzungszinsen.
Oktober 2008
Der Hermsdorfer Gemeinderat tagte am 3. November 2008 in öffentlicher
Sitzung. Auf der Tagesordnung standen unter anderem Schadensersatzansprüche
von Grundstückseigentümern nach WWAZ-Bescheiden.
Die Volksstimme berichtetet dazu:
"Beitragsforderungen für Abwasser
in Hermsdorf
Bürgerfront formiert sich zur Klagefront
Andere Gemeinde – dieselben Probleme. Die Beitragsforderungen
des WWAZ waren nach der heftigen Diskussion der Vorwoche in Irxleben
(Volksstimme berichtete) am Montag auch in
Hermsdorf Thema. Im Gemeinderat berichtete eine beauftragte Rechtsanwältin
über die rechtliche Situation. Wie in Irxleben haben auch in Hermsdorf
in der 90er Jahren private und gewerbliche Käufer Grundstücke von
der Gemeinde erworben. Sowohl der damalige Bürgermeister Linhard Wiedmann,
heute Gemeinderat in Hermsdorf, als auch die Grundstückskäufer bestätigten
am Montag, dass es in den 90ern Absicht beider Vertragsparteien gewesen
war, voll erschlossenens Bauland zu verkaufen bzw. zu kaufen. Doch
unklare Formulierungen in diesen Verträgen haben heute dramatische
Konsequenzen.
Denn: Vor Weihnachten 2001 flatterten den Grundstückseigentümern Beitragsbescheide
des WWAZ für Abwasser und/oder Trinkwasser ins Haus. Der Verband hatte
inzwischen die Aufgabe der Abwasser- und Trinkwasserversorgung von
der Gemeinde übernommen. Die übergabe der dazu nötigen Anlagen, die
einst die Gemeinde hergestellt hatte, die so genannte Vermögensübertragung
an den WWAZ, ist bis heute nicht unter Dach und Fach.
Die meisten Grundstückseigentümer legten 2001/2002 Widersprüche gegen
die Beitragsbescheide ein, hatten sie doch ihrer Annahme nach voll
erschlossenes Bauland gekauft. Sieben Jahre lang verhandelten Gemeinde
und WWAZ in Sachen Vermögensauseinandersetzung. Einen
zwischenzeitlichen Kompromiss – die unbare Verrechnung der Beitragsforderung
des Verbandes mit den Herstellungskosten der Gemeinde – kippte
das Land 2007 per Erlass. Die Kommunalaufsicht legte als untere Aufsichtsbehörde
fest, wie der Runderlass des Landes durchgesetzt werden soll. Danach
soll der WWAZ seine Beitragsforderungen gegenüber den Bürgern durchsetzen,
aber gleichzeitig die Herstellungskosten - abzüglich der beim Bau
in der 90er Jahren geflossen Fördermittel – an die Gemeinde
Hermsdorf erstatten. Die Gemeinde könnte dann den Grundstückseigentümern
ihre beim Grundstückskauf bereits gezahlten Erschließungskostenanteile
erstatten. Allerdings: Zuvor muss die Gemeinde in den Kaufverträgen
prüfen, ob die Grundstückseigentümer wirklich einen Anspruch auf Erstattung
haben.
Eine Rechtsanwältin hat nun die verschieden formulierten Kaufverträge
geprüft. Eindeutige Aussagen, ob nun ein Erstattungsanspruch der Bürger
gegenüber ihrer Gemeinde besteht, konnte auch sie nicht vermelden.
Die Gemeinde würde gern zahlen, darf dies aber laut Auflagen der Kommunalaufsicht
nicht tun, solange der Anspruch der Bürger vor Gericht nicht eindeutig
festgestellt worden ist. "Wir haften dafür, wenn wir zu Unrecht
auszahlen", unterstrich Bürgermeister Dieter Dähnhardt am Montag
und bedauerte, "dass wir heute auch von einer Rechtsanwältin
keine konkreteren Aussagen bekommen." Licht ins Dunkel können
nun wohl nur Gerichtsurteile bringen. Dazu wären Musterklagen betroffener
Bürger nötig. Die anwesenden betroffenen Bürger wollen nun, wie auch
in Irxleben, erkunden, welche Gruppen von Kaufverträgen es gibt. Betroffene
mit gleichen Kaufverträgen könnten sich dann die Kosten für eine Musterklage
teilen. Gegenstand solcher Klagen ist einerseits der Anspruch auf
Rückerstattung gegenüber der Gemeinde. Hier muss das Gericht festellen,
ob die Kaufverträge den Erstattungsanspruch begründen.
Andererseits, betonte die Anwältin am Montag in Hermsdorf, könnte
vor Gericht auch geprüft werden, ob die Ansprüche des WWAZ aus dem
Jahr 2001 gegenüber den Bürgern nicht schon verjährt seien. Laut Gesetz
gibt es seit 2001 eine verkürzte, dreijährige Verjährungsfrist. Ein
erstes Urteil in dieser Verjährungsfrage, allerdings aus einer anderen
Gemeinde der Hohen Börde, ist der Anwältin zufolge Ende November vor
dem Magdeburger Landgericht zu erwarten."
"Nicht zu vermitteln ist dem Bürger, wenn er in ein teures Gerichtsverfahren
getrieben werden soll, in dem die Gegenpartei dasselbe Urteil will.
Nicht zu vermitteln ist es auch, dass eine öffentliche Verwaltung
sieben Jahre für eine Problemregelung braucht, deren Lösung sie dann
auf die Justiz abwälzt.
Die
Gemeinde hatte Betroffenen in einem durch uns abgelehnten Vergleich
angeboten, auf einen nicht geringen Teil ihrer Ansprüche zu verzichten.
Letztlich hat die Gemeinde, nachdem sie zunächst durch ihre Anwältin
den Standpunkt vertrat, daß die Forderungen
verjährt seien, unseren Klageanspruch anerkannt. Das Gericht urteilte
dann entsprechend, gab uns recht und auferlegte der Gemeinde die Zahlung
des strittigen Betrages und der Kosten des Rechtsstreits.
Fazit: Es hat sich also gelohnt, daß wir
gemeinsam für unser Recht und Geld gekämpft haben. Aber es bleibt
doch ein unguter Beigeschmack. Die Verfahrenskosten hätten die Verantwortlichen
dem Steuerzahler, also uns allen, ersparen können. Auch die als aggressiv
und bedrohlich empfundene Art und Weise des WWAZ gibt Anlaß zum Nachdenken.
"Wer kämpft, kann verlieren. Wer
nicht kämpft, hat schon verloren."
Einwohner
der Nachbargemeinde Irxleben wurden mit vergleichbaren Problemen konfrontiert,
die Volksstimme berichtete dazu:
"Irxleber legen
Marschrichtung im Kampf gegen die Beitragsbescheide fest
Nach Erlass wankt übernahme der Beiträge durch Gemeinde
Der Unmut der Irxleber gegenüber dem Wolmirstedter Wasser- und Abwasserzweckverband
(WWAZ) und gegenüber der Gemeinde ist groß. Das wurde auch deutlich,
als das Unternehmer-Netzwerk Börde zu einer Zusammenkunft geladen
hatte, bei der auch WWAZ-Geschäftsführer Frank Wichmann, Irxlebens
Bürgermeister Dr. Thomas Schultze und Rechtsanwalt Wolfgang Höwing
anwesend waren. Anlass für den Unmut waren Schmutzwasser-Beitragsbescheide
gewesen, die zahlreiche Irxleber kurz vor dem Weihnachtsfest im Postkasten
fanden (Volksstimme berichtete). Die Rechnungsbeträge belaufen sich
bei den Privatleuten auf 1000 bis 2500 Euro, bei den Gewerbetreibenden
manchmal auch auf über 100.000 Euro. "Es wurde eine Leistung
erbracht, die wir an die Gemeinde bezahlt haben und wenn der WWAZ
das Anlagevermögen von der Gemeinde bekommen hat, muss er es auch
bezahlen", stellte Jürgen Heitmüller als betroffener Irxleber
in den Raum. An sich ist das richtig, bisher war auch über entsprechende
Verträge geregelt, dass das Anlagevermögen mit den Beiträgen der Bürger
verrechnet wird. Doch inzwischen hat das Innenministerium einen Erlass
aufgestellt, der den WWAZ zwingt, seine Ansprüche gegenüber den Bürgern
durchzusetzen und der Gemeinde das Anlagevermögen zu erstatten. Die
Bescheide mussten rausgeschickt werden.
"Wir dachten
selbst nicht, dass Sie noch einmal zahlen müssen ", erklärte
Frank Wichmann. Ein Großteil der Irxleber hatte bereits 2001 gegen
den ersten Bescheid Widerspruch eingelegt. Die Irxleber dachten nun,
nach sechs Jahren sei die Sache endlich erledigt. Im Hintergrund wurden
unterdessen Verträge erarbeitet, die die übertragung des Anlagevermögens
regelten. Nun aber wird durch den Erlass des Ministerium dieser Vorgang
abgeblockt.
"Die übernahme der Beiträge durch die
Gemeinde ist damit noch nicht vom Tisch, sie müssen nur getrennt werden
", erklärte Wichmann. Unterschieden wird dabei nach der inneren
und äußeren Erschließung. Doch bei der Bezahlung des Anlagevermögens
durch den WWAZ an die Gemeinde müssen jetzt neuerdings die Fördermittel,
die im Gewerbegebiet geflossen sind, berücksichtigt werden. "
Wenn Irxleben 90 Prozent Fördermittel bekommen hat, bekommt die Gemeinde
vom WWAZ bloß noch zehn Prozent für die Anlagen ", rechnete Wichmann
vor. Bürgermeister Dr. Thomas Schultze wandte jedoch ein: " Die
Fördermittel waren für die Ansiedlung von Unternehmen gedacht und
nicht für den WWAZ, den es 1990 außerdem noch nicht gab."
Während die Vertreter des WWAZ in den nächsten Wochen gemeinsam mit
der Kommunalaufsicht und der Gemeinde Irxleben nach Lösungen suchen
wollen, sind die Bürger und Gewerbetreibenden gut beraten, wenn sie
zunächst einen Stundungsantrag bezüglich des Beitragsbescheides stellen.
"Das ist kein Zahlungseingeständnis ", unterstrich Wichmann
und erklärte, dass der WWAZ verpflichtet sei, die Zahlung der Beiträge
sozial verträglich zu gestalten. "Auch wenn die Bescheide nicht
so aussehen, wir wollen kein Unternehmen kaputtmachen."
"Sind unsere Verträge denn gar nichts wert ?", fragten
sich die betroffenen Irxleber angesichts der jetzt gestellten Forderungen.
Der Passus "voll erschlossen" unter dem Punkt Erschließung
sorgt für Verwirrung. Hat die Gemeinde diese Worte damals genauso
interpretiert wie die Grundstücksbesitzer ?
Neben vielen anderen Rechtsfragen muss auch das jetzt erst einmal
geklärt werden. "Sie müssen gucken, wo ihre Chancen beim Klagen
liegt und dabei ist auch die Position der Gemeinde wichtig",
sagte Rechtsanwalt Wolfgang Höwing, der in den vergangenen Tagen schon
einige Unterlagen zu diesem Problem auf dem Tisch hatte. Deshalb weiß
er auch, dass die Formulierungen in den Kaufverträgen sehr unterschiedlich
sind.
Die
Volkstimme berichtete am 01. November 2008:
"Mehr als 200 Betroffene bei Diskussion um Kostenbescheide
Irxleber machen mobil gegen WWAZ-Forderung
In Irxleben brennt die Luft. Anlass sind einmal mehr Zahlungsaufforderungen
des WWAZ. Die Gemeinde lud deshalb am Mittwoch in die „Vier
Jahreszeiten" zum Thema ein. Gut 200 betroffene Grundstückseigentümer
kamen und empörten sich lautstark. Licht ins Dunkel der Hintergründe
der jüngst vom WWAZ verschickte Kostenbescheide für Aussetzungszinsen
wollte die Gemeinde mit dem Informationsabend bringen. Die Abwesenheit
des eingeladenen Landrats Thomas Webel und von Vertretern des WWAZ
sorgte für Buhrufe. „Zu jedem Schautermin kommt der Landrat,
aber wenn es um die Ängste seiner Wähler geht, bleibt er weg",
meinte ein Irxleber wütend. Vom WWAZ hatten die meisten Irxleber ohnehin
nichts anderes erwartet.
Bürgermeister Thomas Schultze erläuterte in einem historischen Abriss
die Probleme mit dem WWAZ. Das Hauptproblem: Nach wie vor ist die
finanzielle Regelung der in den 90er Jahren von der Gemeinde erschlossenen
Grundstücke in einigen Wohngebieten und im Gewerbegebiet nicht abgeschlossen.
2001 hat der WWAZ Kostenbescheide für die Erschließungsbeiträge an
die Grundstückseigentümer versandt, die glaubten jedoch bereits voll
erschlossenes Bauland von der Gemeinde gekauft zu haben und legten
Widerspruch ein. Ein siebenjähriger Verhandlungsmarathon zwischen
Gemeinde und WWAZ kam in Gang. Den Bürgern wurde versprochen, dass
mit den Widersprüchen keine weiteren Kosten (wie Verzugszinsen) auf
sie zukommen. Entsprechende Zusagen seitens des WWAZ zitierte Bürgermeister
Schultze am Mittwoch aus einem Schreiben des Landesverwaltungsamtes.
Die vertragliche Einigung zwischen WWAZ und Gemeinde ist bis heute
nicht erreicht. Letzter Stand sind so genannte Durchführungsbestimmungen
der Kommunalaufsicht des Landkreises Börde. Damit legt die untere
Aufsichtsbehörde fest, wie ein Runderlass des Landes aus dem Jahr
2007 durchgesetzt werden soll. Danach soll der WWAZ seine Beitragsforderungen
gegenüber den Irxleber Bürgern durchsetzen, aber gleichzeitig die
Herstellungskosten - abzüglich der beim Bau in der 90er Jahren geflossenen
Fördermittel - an die Gemeinde Irxleben erstatten. Die Gemeinde könnte
dann den Grundstückseigentümern ihre beim Grundstückskauf bereits
gezahlten Erschließungskostenanteile erstatten. Allerdings: Zuvor
muss die Gemeinde in den Kaufverträgen prüfen, ob die Grundstückseigentümer
wirklich einen Anspruch auf Erstattung haben. Die Gemeinde hatte deshalb
die Verträge auf Empfehlung der Kommunalaufsicht durch einen Anwalt
prüfen lassen. Dessen Einschätzung: „Ein Anspruch wäre denkbar."
Die Gemeinde hatte „denkbar" als anspruchsberechtigt interpretiert.
Der Kommunalaufsicht ist „denkbar" nicht eindeutig genug
und sie meint nun: Das Beste wäre eine Musterklage der Bürger gegen
die Gemeinde. Das führt nun zu selten zu hörenden Forderungen einer
Gemeinde, wie sie deren WWAZ-Vertreter Eckhard Pollmer am Mittwoch
formulierte: „Klagen sie gegen uns! Wir wollen Ihnen das Geld
ja wieder zurückgeben, aber wir dürfen nicht. Die Kommunalaufsicht
entscheidet nichts, lässt uns im Stich. Wir und Sie haben Anwaltskosten,
für eine Sache, die uns ja eigentlich klar ist."
Bezüglich der Zinsforderungen des WWAZ empfahl die Gemeinde den Bürgern,
formelle Anträge auf Erlass dieser Forderungen zu stellen. Des Weiteren
bereiten sich die Bürger auf Muster-Sammel-Klagen gegen die Gemeinde
vor. Verfahrenskosten sollen von den gleich Betroffenen geteilt und
somit schnell eine gerichtliche Klärung der Angelegenheit herbeigeführt
werden.
Und es formiert sich eine zweite, politische Front des Bürgerwiderstands.
Der Irxleber Mathias Tullner meinte angesichts von „hanebüchenen
Vorgängen, die kein Mensch mehr nachvollziehen kann": „Wir
müssen den Volkszorn organisieren, der Politik sagen, wer das Volk
in einer Demokratie ist. Im nächsten Jahr ist Bundestagswahl, und
wir wollen von den ja schon bekannten Kandidaten der großen Parteien
deren Meinung hören. Wir müssen auch den Landrat und seine Behörden
hierher holen, um zu sagen, dass man so mit Bürgern nicht umspringen
darf."
"Streit
um WWAZ-Beitragsforderungen in Irxleben
Zornige Bürger: „Siegesfeier oder Revolution"
Mit politischem Druck anstelle teurer Kämpfe vor Gericht will die
Irxleber Bürgerinitiative den Streit um die Beitragsforderungen des
WWAZ zu ihren Gunsten entscheiden. Die Bürger sehen vor allem den
Landkreis und Landrat Thomas Webel in der Pflicht. Kommenden Montag
reden die Irxleber mit dem Landrat hinter verschlossenen Türen.
Volkszorn organisiert sich. Statt der erwarteten 30 eingetragenen
Mitglieder der Irxleber Bürgerinitiative füllten am
Dienstag gut 200 betroffene Irxleber Bürger den Sitzungsraum im Verwaltungsamt.
Sie wollen sich nicht damit abfinden, die Beitragsforderungen des
WWAZ für die abwasser- bzw. trinkwassertechnische Erschließung ihrer
Grundstücke begleichen zu müssen, bevor sie nicht von der Gemeinde
diese Kosten zurückerstattet bekommen. Denn: Sie hatten in der 90er
Jahren voll erschlossenes Bauland von der Gemeinde gekauft. Das hat
die Gemeinde auch immer so bestätigt. Doch die Kaufverträge sollen
vor einer Rückerstattung der Erschließunsganteile durch die Gemeinde
vor Gericht geprüft werden. Das fordert die Kommunalaufsicht des Landkreises.
Unklare Formulierungen in den Kaufverträgen könnten so zu erheblichen
Verfahrenskosten führen, für Bürger und die Gemeinde - Kosten für
ein Verfahren, in dem beide Streitparteien dasselbe wollen!
„Bei Geldfragen hört die Gemütlichkeit auf „Das ist für
ein normales Hirn nicht mehr nachzuvollziehen", empörte sich
der Sprecher der BI, Mathias Tullner. Der Historiker bemühte das Zitat
„Bei Geldfragen hört die Gemütlichkeit auf", das der preußische
Finanzminister David Hansemann 1848 dem preußischen König Friedrich
Wilhelm IV. entgegenschmetterte. Lange genug haben sich Tullner zufolge
die Irxleber Bürger in Geduld geübt, den Vertröstungen auf einen Erfolg
der Verhandlungen zwischen Gemeinde und WWAZ geglaubt und auf die
Vernunft gehofft. „Nun sollen wir zwei Mal für das Gleiche bezahlen.
Man steht mit offenem Mund da und hört, der WWAZ erhebt seine Forderungen
völlig zu Recht, und wir sollen unsere Ansprüche vor Gericht erkämpfen.
Wir wollen aber keine juristische Lösung, wir wollen keinen Kompromiss,
wir wollen eine politische Lösung durch den Landkreis, den Chef der
Kommunalaufsicht, und das ist der gewählte Landrat Thomas Webel. Unsere
Forderung heißt: Wir werden nicht doppelt bezahlen", betonte
Tullner unter tosendem Applaus. Die Bürgerinitiative hat eine entsprechende
Anrufung des Kreistages formuliert. Das Papier können die Betroffenen
bis zum Sonntag unterzeichnen. Auch Petitionen an den Landtag und
an den Bundestag sind geplant. Kontakte mit deutschlandweiten Medien
sind geknüpft.
Am kommenden Montag, 7.30 Uhr, hat Landrat Thomas Webel Vertreter
der Bürgerinitiative und der Gemeinde zu einem Gespräch eingeladen.
„Wir werden dabei deutlich fordern: Die Kommunalaufsicht muss
den gordischen Knoten dieser nicht mehr nachzuvollziehenden unendlichen
Geschichte zerschlagen. Auf ein juristisches Weiteraüfdröseln werden
wir uns nicht einlassen", erklärte Tullner. „Die Kommunalaufsicht
muss das Problem politisch lösen und darf ihre Verantwortung nicht
an die Juristerei abgeben. Entweder, es wird am Dienstag eine Siegesfeier
in Irxleben geben, oder hier bricht die Revolution aus. Wir haben
jetzt genug und verschaffen unserem ärger zu Recht Luft."
Tullner bat am Dienstag die Anwesenden um ein klares Mandat für diese
Linie, deren Minimalziel „ein Moratorium bis zur vollständigen
Klärung des gesamten Sachverhaltes" sein müsse. Da gegen war
keine einzige Stimme zu hören.
Nach der Versammlung bot der stellvertretende Bürgermeister von Hermsdorf,
Martin Busch, an, auch in Hermsdorf Unterschriftenlisten für die Unterstützung
der Anrufung des Kreistages auszulegen."
Irxleben. Nach einem Vergleich mit einem klagenden Gewerbetreibenden
bei Gericht hat die Gemeinde Irxleben nun die Weichen für die Regelung
der Abwasserbeitragsforderungen gestellt. Das Gericht hatte laut Angaben
von Bürgermeister Thomas Schultze zuvor unmissverständlich klar gestellt,
dass die Forderungen gegenüber der Gemeinde rechtmäßig und nicht verjährt
sind. „Wir hätten den Prozess auf ganzer Linie verloren",
betonte Schultze am Mittwoch im Gemeinderat. Mit dem anschließend
von der Irxleber Ratsrunde per Beschluss bestätigten Vergleich verpflichtet
sich die Gemeinde, dem Gewerbetreibenden 366 000 Euro an Beitragskosten
zu erstatten, die der WWAZ erhoben hatte. Die Gemeinde hatte dem Klagenden
in den 90er Jahren auf Grundlage eines Erschließungsvertrages (Kaufvertrages)
voll erschlossenes Bauland verkauft.
„Die Richterin hat unmissverständlich klar gestellt, dass eine
Verjährung der Ansprüche gegenüber uns nicht eingetreten ist",
berichtete Schultze. Das hatte die Gemeinde eigentlich auch so gesehen,
wollte ohnehin bezahlen, doch die Kommunalaufsicht des Landreises
hatte der Gemeinde die gerichtliche Klärung der Angelegenheit empfohlen.
„Uns hat diese Angelegenheit 40 000 Euro an Verfahrenskosten
eingebracht. So viel Geld zu verbrennen, können wir dem Bürger kaum
verständlich machen. Das wäre der Ausbau der halben Darrwiesenstraße
gewesen", sagte Schultze. Deshalb empfahl der Bürgermeister:
„Wir sollten uns auf keine weiteren Gerichtsauseinandersetzungen
mit den Grundstückseigentümern einlassen." Diesbezüglich wird
Bürgermeister Schultze am 28. Januar auch noch einmal mit Landrat
Thomas Webel reden. Laut Angaben der Verwaltung ist der nun bei Gericht
geprüfte Erschließungsvertrag vergleichbar mit dem Gros aller anderen
Kaufverträge in den Gewerbe- und den Wohngebieten.
Mit vielen betroffenen Irxleber Grundstückseigentümern,
etwa 60 Prozent, hat sich die Gemeinde inzwischen auf ein im Dezember
vorgelegtes Vergleichsangebot geeinigt und entsprechende Verträge
abgeschlossen. Nicht locker lassen bei Gericht will die Gemeinde jedoch
gegenüber dem WWAZ. Dazu erklärte Schultze: „Wir sehen nach
wie vor nicht ein, dass der WWAZ Beiträge erhebt, unsere Anlagen zum
Nulltarif nutzt und wir die Beitragsforderungen für die Erschließung
an die Bürger und Gewerbetreibenden erstatten. Und der Verband ist
nicht bereit, uns die ihm übertragenen Anlagen angemessen zu bezahlen."
Eckhard Pollmer, er ist der Irxleber Vertreter im Verbandsausschuss
und in der Verbandsversammlung des WWAZ, beklagte, dass im Zusammenhang
mit der Vermögensübertragung seitens des WWAZ-Geschäftsführers Frank
Wichmann „bewusst Fehlinformationen in den Verbandsgremien gestreut
werden". „Und der Landkreis übernimmt auch noch diese Halbwahrheiten
in seinen Stellungnahmen gegenüber der Gemeinde", empörte sich
Pollmer.
Am 3. Februar haben die Gemeinde und der WWAZ einen Termin beim Landgericht.
Dabei geht es in einem zivilrechtlichen Verfahren um einen von beiden
Seiten unterzeichneten Vertrag. Dieser Vertrag regelt die übertragung
des Anlagevermögens der innerörtlichen Erschließung im alten Dorfkern.
Vor dem Verwaltungsgericht will die Gemeinde mit einer weiteren Klage
den WWAZ dazu verpflichten, das Anlagevermögen in einigen neu erschlossenen
Wohn- und Gewerbegebieten zu übernehmen. Zwar nutzt der Verband diese,
von der Gemeinde in den 90er Jahren gebauten Anlagen und kassiert
auch die Beiträge für die Erschließung. überwiesen hat der Verband
aber bisher noch nichts an die Gemeinde.
Laut Pollmer belaufen sich die Forderungen der Gemeinde gegenüber
dem WWAZ in beiden Prozessen auf insgesamt 2,058 Millionen Euro.